Kennst du das? Du erzählst einen Witz, der dich selbst fast vom Stuhl kippen lässt vor Lachen, und dein Gegenüber...blickt dich einfach nur an. Keine Miene verzieht sich. Nichts. So, als hättest du gerade die Quantenphysik erklärt. Tja, da fragt man sich: "Okay, ist das ein Roboter? Oder einfach jemand, der seinen Humor zu Hause vergessen hat?"
Wir alle kennen diese Momente, und oft denken wir dann: "Mensch, der/die ist aber gefühlskalt!" Aber was ist eigentlich der korrekte, wissenschaftliche Begriff für Menschen, die scheinbar keine oder nur sehr wenige Emotionen zeigen?
Alexithymie: Wenn Gefühle sprachlos machen
Die Antwort lautet: Alexithymie. Klingt kompliziert, ist es aber eigentlich gar nicht. Es kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie "keine Worte für Gefühle". Menschen mit Alexithymie haben Schwierigkeiten, ihre eigenen Emotionen wahrzunehmen, zu benennen und auszudrücken. Es ist, als ob sie eine Art emotionalen Nebel vor dem inneren Auge haben. Sie *spüren* vielleicht etwas, aber sie können es nicht richtig greifen oder verbalisieren.
Stell dir vor, du bist ein Radio, das nur Rauschen empfängt. Du weißt, da ist irgendwas im Äther, aber du kannst die Musik oder die Nachrichten nicht klar hören. So ähnlich ist es für Menschen mit Alexithymie. Sie empfangen zwar emotionale Signale, aber sie können sie nicht entziffern.
Wichtig: Alexithymie ist keine Krankheit im klassischen Sinne. Es ist eher eine Persönlichkeitseigenschaft oder eine neurologische Besonderheit. Und es bedeutet auch nicht, dass diese Menschen keine Gefühle haben. Sie empfinden sie nur anders und können sie nicht so einfach nach außen zeigen.
Nicht gleich Roboter schreien!
Bevor du jetzt alle deine Freunde und Bekannten, die nicht bei jedem Witz in Tränen ausbrechen, verdächtigst: Alexithymie ist gar nicht so selten. Schätzungen zufolge betrifft sie etwa 10% der Bevölkerung. Und es gibt verschiedene Ausprägungen. Manche Menschen haben nur leichte Schwierigkeiten, ihre Gefühle zu erkennen, andere sind stärker betroffen.
Außerdem gibt es viele andere Gründe, warum jemand emotional distanziert wirken kann. Vielleicht ist er/sie einfach nur schüchtern, introvertiert oder gestresst. Oder hat gerade eine schwere Zeit durchgemacht und eine Art emotionalen Schutzwall aufgebaut.
Denk mal an einen Igel. Wenn er Angst hat, rollt er sich zusammen und zeigt seine Stacheln. Das heißt aber nicht, dass er nicht kuscheln will. Er braucht einfach nur etwas Zeit und Geduld, bis er sich sicher fühlt.
Wie geht man mit Alexithymie um?
Wenn du den Verdacht hast, dass du selbst oder jemand in deinem Umfeld Alexithymie hat, ist es wichtig, sich nicht zu verurteilen. Es ist okay, wenn man nicht immer genau weiß, was man fühlt. Und es gibt Möglichkeiten, den Umgang mit Emotionen zu lernen.
Therapie, insbesondere Psychotherapie, kann helfen, die eigenen Gefühle besser wahrzunehmen und auszudrücken. Achtsamkeitsübungen und Entspannungstechniken können ebenfalls hilfreich sein, um sich selbst besser kennenzulernen. Und manchmal hilft es einfach schon, sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen und in Ruhe zu reflektieren.
Und für alle, die mit jemandem zusammen sind oder befreundet sind, der/die Alexithymie hat: Geduld und Verständnis sind das A und O. Versuche, die Person nicht zu drängen, ihre Gefühle zu zeigen, sondern schaffe eine sichere Umgebung, in der sie sich wohlfühlt. Und denk daran: Auch wenn sie es nicht immer sagen können, bedeutet das nicht, dass sie dich nicht mögen oder lieben. Vielleicht drücken sie ihre Gefühle einfach auf andere Weise aus, zum Beispiel durch Taten oder durch ihre Loyalität.
Also, das nächste Mal, wenn du jemanden triffst, der nicht sofort in Begeisterungsstürme ausbricht, denk dran: Vielleicht ist er/sie einfach nur ein bisschen anders verdrahtet. Und das ist völlig okay. Hauptsache, ihr habt eine gute Zeit zusammen – egal, ob mit viel oder wenig Emotionen!